Zur Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung bei ALG II Bezug!

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Privat Krankenversicherte können sich nur unter bestimmten Bedingungen (wieder) in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versichern. Da über die gesetzlichen Voraussetzungen einer Versicherung Privatversicherter insbesondere auch bei den Mitarbeitern der Jobcenter nach hiesigen Erfahrungen praktisch vollständige Unkenntnis herrscht, sollen diese an dieser Stelle einmal dargestellt werden. Dabei werden nur die Voraussetzungen erörtert, die bei privat versicherten Beziehern von ALG II von praktischer Relevanz sind.

Pflichtversicherung und freiwillige Versicherung in der GKV

Zu unterscheiden ist zunächst zwischen Pflichtversicherten und freiwillig Versicherten. Der Kreis der Pflichtversicherten wird in § 5 SGB V bestimmt (1). Darüber hinaus bietet die GKV auch die Möglichkeit einer freiwilligen Versicherung an. Die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür finden sich in § 9 SGB V (2).

(1) Pflichtversicherung in der GKV

Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V sind Personen in der GKV pflichtversichert, wenn sie ALG II beziehen. Ausnahmen gelten für den Fall der Familienmitversicherung oder der nur darlehensweisen Gewährung von ALG II (z.B. nach § 27 Abs. 4 SGB II), für den Fall der rückwirkenden Aufhebung der Gewährung von ALG II oder soweit nur Leistungen nach § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB II bezogen werden.

(a) In der Regel keine Versicherungspflicht bisher Privatversicherter

Nach § 5 Abs. 1 Nr. 5a SGB V ist indessen auch im ALG II-Bezug nicht versicherungspflichtig, wer unmittelbar vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II privat krankenversichert war oder weder gesetzlich noch privat krankenversichert war und zu den in § 5 Abs. 5 SGB V oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 SGB V genannten Personen gehört oder bei Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätte. Satz 1 gilt nicht für Personen, die am 31. Dezember 2008 nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB II versicherungspflichtig waren, für die Dauer ihrer Hilfebedürftigkeit.

Eine Pflichtversicherung in der GKV besteht mithin seit 01.01.2009 für diejenigen Bezieher von Alg II nicht mehr, die vor dem Bezug von ALG II

  • privat krankenversichert oder gar nicht versichert waren und
  • hauptberuflich selbständig erwerbstätig waren oder
  • versicherungsfrei waren (vgl. § 6 Abs. 1 und SGB V) oder – bei einer Ausübung des Berufs im Inland – gewesen wären.
(b) Pflichtversicherung bei Aufnahme sozialversicherungspflichtiger Tätigkeit

Eine Möglichkeit zur (Wieder-) Versicherung in der GKV für Privatversicherte besteht auch bei ALG II-Bezug aber durch Eintritt in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitnehmerverhältnis (über 400 €), bei dem das Gehalt unter der Jahresarbeitsentgeltgrenze (JAEG) von 50.850 € = 4.237,50 € brutto im Monat (Stand 2012) liegt. In diesem Fall besteht wieder Versicherungspflicht in der GKV nach § 5 Abs. 1 SGB V.

(c) Einschränkung bei über 55jährigen

Allerdings ist durch die Gesundheitsreform 2007 (Regelungen seit 01.04.2007 in Kraft) die Rückkehr in die GKV für Personen, die das 55. Lebensjahres vollendet haben, deutlich erschwert worden. Auch bei Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung im ALG II-Bezug bleiben über 55jährige „versicherungsfrei“ (d.h. eine Versicherung in der GKV ist nicht möglich), wenn diese:

  • in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Versicherungspflicht nicht gesetzlich versichert waren und
  • mindestens die Hälfte dieser Zeit versicherungsfrei waren (z.B. als Arbeitnehmer über Verdienstgrenze oder Beamter) oder
  • von der Versicherungspflicht befreit oder
  • als hauptberuflich Selbständige nicht versicherungspflichtig waren.

Eine – praktisch wenig relevante – Ausnahme gilt allerdings nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V für Personen,

  • welche die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben,
  • wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens 90 % der zweiten Hälfte diese Zeitraums (also ihrer Lebensarbeitszeit) Mitglied in der GKV oder familienmitversichert waren.

Weitere Ausnahmen für gut verdienende Privatversicherte (Reduzierung der Arbeitszeit/des Verdienstes 12 Monate vor Ruhestand, so dass sie unter die Jahresarbeitsentgeltgrenze fallen, Bezug von ALG I vor der Rente) können hier außer Betracht bleiben, da in diesen Fällen die Voraussetzungen für einen ALG II Bezug nicht vorliegen.

(2) Freiwillige Versicherung in der GKV

Eine freiwillige Versicherung in der GKV ist für Privatversicherte im ALG II-Bezug nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V nur möglich, wenn die Vorversicherungszeiten erfüllt sind, d.h. diese

  • in den letzten 5 Jahren vor dem Ausscheiden aus der GKV mindestens 24 Monate oder
  • unmittelbar vor dem Ausscheiden aus der GKV ununterbrochen mindestens 12 Monate versichert waren, wobei
  • Versicherungszeiten während des Bezuges einer gesetzlichen Altersrente oder zu Unrecht bezogenem ALG II nicht mitzählen.

Der Beitritt zur freiwilligen Versicherung in der GKV ist der GKV in diesem Fall innerhalb von 3 Monaten nach Beendigung der Pflichtmitgliedschaft in der GKV anzuzeigen. Danach ist eine freiwillige Versicherung in der GKV ausgeschlossen (Ausschlussfrist). Aufgrund dieser Voraussetzung scheidet eine freiwillige Versicherung Privatversicherter in den meisten Fällen aus.

(3) Familienmitversicherung

Familienangehörige von in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Pflicht- oder freiwilligen Mitgliedern können sich darüber hinaus unter bestimmten Voraussetzungen beitragsfrei mitversichern lassen (sog. Familienversicherung oder beitragsfreie Familienmitversicherung).

Zu den Familienangehörigen zählen der Ehegatte, der eingetragene Lebenspartner und die Kinder. Ein angenommenes Kind ist gemäß § 1754 BGB rechtlich „Kind“ des Annehmenden. Gleichgestellt sind den leiblichen Kindern Stiefkinder und Enkel, wenn sie mit dem Mitglied in einem gemeinsamen Haushalt leben und deren Lebensunterhalt überwiegend vom Mitglied bestritten wird. Familienmitversichert sind darüber hinaus auch die Kinder von familienmitversicherten Kindern. Denkbar ist eine solche Konstellation etwa, wenn das Kind eines Mitglieds in der GKV aufgrund einer Ausbildung bzw. eines Studiums selbst familienmitversichert ist und seinerseits schon ein Kind hat.

Die Voraussetzungen für die beitragsfreie Familienmitversicherung in der GKV ergeben sich für die Krankenversicherung aus § 10 SGB V und für die Pflegeversicherung aus § 25 SGB XI.

Seit 01.01.2016 ist die Möglichkeit einer Familienmitversicherung für ALG II-Empfänger entfallen, siehe den Beitrag „Hartz IV: Ab 01.01.2016 entfällt die Familienversicherung„.

Weiterführende Links:

http://krankenversicherungen.net/gesetzliche-private-krankenversicherung

http://www.ifb-hessen.de/fileadmin/ifb/doc/publikationen/gruendungsinfos/10_krankenversicherung.pdf

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


8 Kommentare on “Zur Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung bei ALG II Bezug!”

  1. Roland Wiehler sagt:

    Hallo,
    bin seit 2003 nicht mehr krankenversichert. Grund ist sehr komplex. 55 Jahre Regelung verhindert Rückkehr in die GKV, obwohl ich nur 3 (i.W. drei) Jahre in einer PKV war.
    Die Beiträge aus 39 Jahren in der GKV waren völlig umsonst. Es wird höchste Zeit, den gesamten Versicherungsverlauf zu berücksichtigen. Alles andere ist Betrug und Willkür.

    Meine Meinung: Die Pflicht zur Krankenversicherung in Deutschland muss jedem im Rahmen seiner Einkommensmöglichkeiten zugänglich sein. Die gesamte KV-Landschaft ist Lobby verseucht und politisch stümperhaft ausgestaltet. Nach dem Ausscheiden aus dem Mandat muss ja noch bei einer KV ein lukratives Pöstchen freigehalten werden. Das ist die Vorsorge unserer Mandatsträger (natürlich ohne Altersbeschränkung).

    Mein Istzustand 2018: Anfrage lt. Gesetz bei letzter PKV: Monatsbeitrag 820.- € ohne PFV.
    Rente: 719.- € (monatlich) Gemeinde und Landratsamt wissen keinen Rat. Ich auch nicht.

    Deutschland, Gute Nacht!

    Statistik 2017: ca.130 000 Personen in Deutschland ohne Krankenversicherung
    ca. 9 Milliarden Beitragsrückstände bei GKV und PKV
    Mein Tipp: Den Vollstreckungsberufen gehört die Zukunft

    • Liegen bei Ihnen die Voraussetzungen für einen ergänzenden Grundsicherungsbezug vor (Grundsicherung im Alter nach dem SGB XII), muss Ihnen die PKV einen Beitrag in Höhe des halben Basistarifs anbieten (in 2018: 690,31 € / 2 = 345,16 €).
      https://www.pkv.de/service/zahlen-und-fakten/rechengroessen-der-pkv-und-der-sozialversicherung/
      Mit einer Rente von 719,- € dürften Sie – soweit Sie allein leben oder Ihre Frau keine hohe Rente hat und Sie nicht über Vermögen verfügen – Hilfebedürftig im Sinne des SGB XII sein. Dabei ist zu beachten: Sie können allein durch die KV+PV-Beiträge Hilfebedürftig werden.
      Und zuletzt: Ja, was sich „unser“ Gesetzgeber im Bereich der Krankenversicherung (wie leider auch in viele anderen Bereichen) leistet, macht einen schlicht fassungslos. Bereits die Einführung eine Versicherungspflicht zum 1.1.2009 mit Stichtag, ab dem zu zahlen war (und seit dem bei vielen die Verschuldungswelle zu rollen begann), war an gesetzgeberischem Murks nicht zu überbieten. Der Fachkräftemangel auch in Politik und Ministerien ist unverkennbar.

      • Wiehler Roland sagt:

        Vielen Dank für die vollumfänglich zutreffende Antwort.
        Der Antrag auf Hilfebedürftigkeit wäre möglich, würde mich aber alleine wegen des PKV – Beitrages auf Hartz IV-Niveau mit allen möglichen Verwaltungsschikanen bringen. Das will ich nicht. Es soll Ärzte geben, die PKV – Basisversicherte als Patienten abweisen. Was die PKV-Versicherer beim halben Beitragssatz noch an Leistungen bezahlen will ich gleich garnicht hinterfragen. Und PKV-Mitglied werden, um anschließend den Beitrag nicht mehr zu bezahlen
        (wird ernsthaft von verschiedenen Stellen empfohlen) halte ich auch nicht für eine Lösung.
        Kurzfristig werde ich weiter ohne KV leben.

  2. Kirsten Hupertz sagt:

    Guten Tag,

    ich beziehe gerade ALG II, weil ich mir davon erhofft hatte, aus meiner privaten Krankenversicherung raus zu kommen, die monatlich ca. 300 Euro kostet, aber einen Eigenkostenanteil von 2.000 Euro hat. Ich fühle mich also, als wäre ich gar nicht versichert, und es wäre das beste eh alles selbst zu zahlen.
    Aus gesundheitlichen Gründen befinde ich mich gerade in meinem zweiten Pause-Semester meines Studiums und war durch meinen Vater (Beamter) mein ganzes Leben schon in der PKV.
    Jetzt wurde ich von GKV schon abgelehnt und das was ich mir durch ALG II erhofft habe, also aus der PKV rauszukommen, ist nicht eingetreten. Gibt es gar keine Chance als Bezieher von Sozialhilfe und PKV-Versichter in die GKV zu kommen? Denn ich habe Anfang des Jahres ein Schreiben des Jobcenters bekommen, dass alle Leistungsbezieher Grundsätzlich GKV versichert sein müssen.

    Wäre toll wenn ich dazu vielleicht eine klarere Antwort bekommen könnte, weil das Jobcenter konnte mir in diesem Punkt kein bisschen helfen.

    Dankeschön.

    • Bitte immer auf die Rechtschreibung achten, ich musste einiges korrigieren.

      Klare Antwort: Als bisher privat Versicherter werden Sie durch ALG II-Bezug nicht pflichtversichert. Das habe ich in meinem Beitrag ja auch sehr klar geschrieben. Hier noch einmal die Rechtsgrundlage:

      § 5 Abs. 15a SGB V: „Nach Absatz 1 Nr. 2a [Pflichtversicherung im ALG II-Bezug] ist nicht versicherungspflichtig, wer zuletzt vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II privat krankenversichert war (…)“.

      Sie kommen zurück in die GKV, wenn Sie einen sozialversicherungspflichtigen Job annehmen.

      Alternativ können Sie im ALG II-Bezug in den Basistarif Ihrer PKV wechseln. Sie sind dann privat versichert wie ein gesetzlich Versicherter, also ohne Selbstbeteiligung. Allerdings: Im ALG II-Bezug zahlen Sie bzw. das Jobcenter für Sie den halben Basistarif, außerhalb des Leistungsbezug müssen Sie den vollen Basistarif zahlen (2019 703,32 € mtl.). Deshalb Rückkehrrecht (Sog. Anwartschaft) in den alten Wahltarif sichern, wenn der ALG II-Bezug endet. Das geht bei den meisten PKV zu einem erschwinglichen Beitrag.

  3. Hannes sagt:

    Guten Abend.

    Ich habe nach meiner Ausbildung und einigen Gesellenjahren in denen ich ganz normal gesetzlich versichert war ein Studium begonnen, dass ich jetzt (mit 37) abgeschlossen habe. Vor dem Studium habe ich mich von der GKV-Pflicht befreien lassen und bin zur PKV gewechselt. Jetzt (direkt nach meinem Studium) will ich aber wieder in die GKV, was ja durch den Statuswechsel eigentlich auch kein Problem wäre. So hat mit das zumindest mein Versicherungsvertreter damals erklärt. Voraussetzung für den Wechsel in die GKV nach dem Studium ist aber wohl eine sozialversicherungspflichtige Anstellung. Da ich aber noch nichts gefunden habe werde ich erst mal ALG II beantragen müssen. Wenn ich das direkt nach der Exmatrikulation mache verbleibe ich aber während der ALG II Bezüge in der PKV.

    Ist es möglich, dass ich nach der Exmatrikulation wieder in die GKV eintrete auch ohne sozialversicherungspflichtige Anstellung, und mich erst DANACH beim Jobcenter arbeitslos (ALG II) melde? Dann wäre ich wieder in der GKV und würde dann erst ALG II beantragen und somit während der ALG II Bezüge gesetzlich und nicht privat Versichert sein.

    Vielen Dank für die Hilfe, Hannes

    • Hallo Hannes,

      nein, das ist nach meinem Kenntnisstand nicht möglich. Welche rechtlichen Auswirkungen ein „Statuswechsel“ (Student zu Arbeitslosem) hier haben soll, erschließt sich mir nicht ganz. Möglicherweise hat Ihr Versicherungsvertreter gemeint, ein Wechsel in die GKV sei bei einer Arbeitsaufnahme kein Problem.
      Aber im Grunde müssen Sie sich keine Sorgen machen: Liegt Ihr Wahltarif unter dem halben Basistarif (2019: 351,66 €), übernimmt das Jobcenter die Kosten, liegt er darüber, können Sie immer in den Basistarif wechsel (dazu lesen: https://sozialberatung-kiel.de/2013/03/05/kosten-der-privaten-krankenversicherung-nur-bis-zum-halben-basistarif/), wenn Ihnen der Überschreitungsbetrag zu hoch ist bzw. wenn Sie im Wahltarif einen Eigenanteil zahlen müssen (dazu lesen: BSG, 29.04.2015 – B 14 AS 8/14 R).

      Viel Erfolg,

      Helge


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